Übergewicht ist nicht nur ein Risikofaktor für Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen, sondern auch für Krebs, erklärt Prof. Dr. Frickhofen von den Horst Schmidt Kliniken.

Eine Studie in der renommierten Zeitschrift „Lancet“ (online publiziert am 13.07.16) hat erstmals nachgewiesen, dass Übergewichtige überall auf der Welt früher als Normgewichtige sterben. „Das ist doch allgemein bekannt“, meinen Sie?

Ja und Nein.

Ja, weil jeder weiß, dass Übergewichtige (BMI zwischen 25 und 30 Kilogramm pro Quadratmeter) und Adipöse (BMI größer als 30 Kilogramm pro Quadratmeter) häufiger an Gefäßerkrankungen, Hochdruck und Diabetes leiden und diese Erkrankungen das Leben verkürzen.

Nein, weil sich in vielen älteren epidemiologischen Studien das Paradoxon fand, dass Übergewichtige länger leben als Normgewichtige.

Die Lancet-Studie hat jetzt den Fehler in diesen älteren Untersuchungen aufgedeckt: Wenn man Raucher, chronisch Kranke und alle die ausschließt, die kurze Zeit nach Beobachtungsbeginn gestorben sind, dann ist die Lebenszeit der Übergewichtigen überall auf der Welt kürzer als die der Normalgewichtigen. Es liegt an der sog. „umgekehrten Kausalität“: Die genannten Faktoren (Rauchen etc.) können den BMI senken. Damit finden sich diese Risikofaktoren für Krankheit und eine verkürzte Lebenszeit seltener bei den Übergewichtigen und nivellieren das Risiko durch das Übergewicht.

In der Lancet-Studie wurde nicht nur bestätigt, dass Übergewichtige häufiger Gefäß- und andere Volkskrankheiten erleiden, sondern dass sie auch ein höheres Risiko für Krebserkrankungen haben. Diese Beobachtung wurde erstmals im Jahr 2008 veröffentlicht und in einer Lancet-Arbeit aus dem Jahr 2014 quantifiziert: Etwa 40 Prozent der Uteruskarzinome und mehr als zehn Prozent der Karzinome von Gallenblase, Niere, Leber und Kolon werden durch Übergewicht verursacht; bei vielen anderen Tumoren sind es zwei bis acht Prozent, die durch Übergewicht verursacht werden. Diese Analyse kann man als zuverlässig einstufen. Sie stützte sich auf prospektiv gesammelte Daten von etwa zehn Millionen Briten, die 1987 bis 2012 in der Praxissoftware von Allgemeinmedizinern dokumentiert und in einer zentralen Datenbank (UK Clinical Practice Research Datalink, CPRD) zusammengeführt wurden. Das sind etwa neun Prozent der britischen Bevölkerung.

Zusammengefasst muss man Übergewichtigen nicht nur die Gefahr des Auftretens von Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen mitteilen, sondern auch das vermehrte Auftreten von Krebs. Die Amerikanische Krebsgesellschaft hat dies angesichts weltweit steigender Zahlen übergewichtiger Menschen zum Thema einer großen Aufklärungskampagne gemacht. Näheres dazu unter www.asco.org/obesity.

Autor dieses Beitrags

Prof. Dr. med. Norbert Frickhofen

Fachgebiete
Innere Medizin
Hämatologie
Onkologie
Palliativmedizin

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