Die Ergebnisse dieser am 22.02.18 im New England Journal of Medicine publizierten Studien sind tatsächlich bemerkenswert: Bei 34 Patienten bildeten sich die Tumordurchmesser um mindestens 30% zurück und bei 7 Patienten konnte überhaupt kein Tumor mehr nachgewiesen werden („komplette Remission“). Ein Ansprechen des Tumors konnte bei allen Tumorarten beobachtet werden. Die Nebenwirkungen waren so gering, dass kein Patient das Medikament wegen Nebenwirkungen absetzen musste.
Erst bei genauerem Lesen der Studie wird die wichtigste Einschränkung dieser positiven Nachricht klar: Die behandelten Tumoren mussten alle eine spezielle genetische Veränderung aufweisen, die man „NTRK-Fusionsgen“ nennt. Das trifft leider nur für etwa 1% aller Tumoren zu.
Larotrectinib ist ein prominentes Beispiel für Medikamente, die eine neue Strategie in der Onkologie fordern bzw. ermöglichen. Nicht das Ausgangsgewebe ist entscheidend, sondern die Tumorbiologie. Es ist z.B. nicht wichtig, ob ein Tumor von dem Dickdarm ausgeht, sondern ob er eine genetische Veränderung hat, die den Krebs antreibt („Treibermutation“) oder ihn vor Angriffen des Immunsystems schützt. Medikamente werden danach ausgewählt, ob sie diese ganz individuelle Achillesferse des Tumors angreifen. Ob das dann ein typisches Dickdarmkrebsmedikament ist, ist zweitrangig.
Die Konsequenz ist, dass in Zukunft jeder Tumor, der auf medikamentöse Therapie angewiesen ist, auf genetische Veränderungen getestet werden sollte, für die es potentiell ein spezifisch wirksames Medikament gibt. Diese Diagnostik erfolgt am effektivsten mit dem sogenannten „Next generation Sequencing“ (NGS). Onkologen und Pathologen werden sich darauf einstellen müssen, und zusammen mit den Krankenkassen müssen Modalitäten der Finanzierung vereinbart werden. Die von der Deutschen Krebshilfe geförderten Krebszentren werden diese Diagnostik noch in diesem Jahr für das Lungenkarzinom anbieten. Dies ist ein Anfang des Bestrebens, personalisierte Krebstherapien („Präzisionsmedizin“) durch ein „Nationales Netzwerk genomische Medizin“ in die Regelversorgung zu überführen.
Autor: Prof. Norbert Frickhofen, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden
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Prof. Dr. med. Norbert Frickhofen
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Innere Medizin
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